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Bericht von Dr. med. Bigna Rambert, Vorstandsmitglied des "Fördervereins Neue Wege in Somalia", Mai 2009 bis April 2010
 
Ambulatorium
Dass trotz Krieg in Somalia ein ziviles Alltagsleben stattfindet, davon könnten Euch die MitarbeiterInnen vom Ambulatorium in Merka berichten. Im Verlauf dieses Jahres betreuten sie weiterhin täglich die Bevölkerung aus ihrem städtischen Einzugsgebiet. Für die schwangeren Mütter, die Neugeborenen und die Kleinkinder bis zum Alter von 5 Jahren fanden die Konsultationen wie immer im Rahmen des MCH (mother care health) Program - für die anderen Kranken im Rahmen des OPD (out patient workload) Programm statt.

In Zahlen ausgedrückt waren das im OPD bereich im letzten Quartal 2009 2'263 PatientInnen. Im Vorjahr waren es 2'100 im gleichen Zeitraum. Bei einer 6 Tage Woche sind das durchschnittlich 25 Patienten-Konsultationen täglich im Rahmen des OPD-Programs.

Statistische Spitzenreiter der medizinischen Probleme sind nach wie vor die Durchfallerkrankungen (häufig Parasiten), die Erkrankungen der oberen Atmungswege -d.h. meist Erkältungen- und die Infektionen der unteren Harnwege. Vergleicht man die letzten Quartale 08/09 ernsthafteren Erkrankungen, so traten Malaria und Hepatitis etwa im gleichen Rahmen auf. Im 09 kam es glücklicherweise nicht mehr zu einem Choleraausbruch im Einzugsgebiet unseres Ambulatoriums. Einzig eine kleine Typhushäufung "- 13 Fälle statt nur einem - ist zu verzeichnen".

Unser Arzt Dr. Abdiraham arbeitete von Juli 09 bis Februar 10 2 Tage pro Woche in Magda und Nurs TBC Klinik- d.h. in diesen Monaten war er nur an 4 Wochentagen in unserem Ambi tätig. Er sprang für deren Arzt ein, der sich völlig unerwartet auf Druck seiner Angehörigen ins Ausland abgesetzt hatte. Diese gelungene Zusammenarbeit vor Ort zwischen SWISSO und New Ways - die sich nach kurzen Anlaufschwierigkeiten problemlos gestaltete - wäre ohne die Vorarbeit der beiden Vereinsvorstände hier in der Schweiz im Jahre 08 - Jenny hat Ihnen im letzten Geschäftsbericht ausführlich davon berichtet - undenkbar gewesen.

Glimpflich für alle Mitarbeiter des Ambulatoriums, aber auch für die Patientinnen, verlief der Einbruch der tragenden Balken im Gebäude des Ambulatoriums am 20. 12. 09 - in der Zwischenzeit sind sie jedoch bereits wieder renoviert

Endlich konnte erstmals im Februar 10 ein direkter Mailkontakt mit Dr. Abdirahman hergestellt werden. Seine klinische Arbeit mit den Patienten in der Swissoklinik wurde geschätzt und das gibt uns wieder Hoffnung für die Zusammenarbeit - trotz seiner eher passiven und kaum zupackenden Einstellung gegenüber administrativen Aufgaben und Tätigkeiten wie regelmässige Mailkontakte und fachlicher Austausch, Aufnahme der regelmässigen Schulung des Personals etc.

Ambe Banaan:
In Ambe Banaan wurden im Verlauf dieses Geschäftsjahres endlich die Aktivitäten im health post regelmässig aufgenommen. Fanden die Besuche anfänglich aus verschiedensten Gründen wie bspw. Regenfälle, Transportprobleme nur einmal pro Monat statt werden sie seit Januar 10 nun fix zweimal monatlich gemacht. Die Sprechstunden im health post werden immer von der gleichen Equipe unter der administrativen und organisatorischen Aufsicht und Koordination von Salim ausgeführt. Er holt bspw. auch die schriftliche Bewilligung der al-Shabaab ein. Zum Team gehört der Pfleger Ali Yare, der Laborant Abdishkur und der Hilfspfleger Osman M. Abdulahi, der eigentlich fest in Ambe Banaan stationiert sein sollte und vom Ambulatorium für einfache medizinische Basishilfe ausgebildet wurde. Bereits im Juni 09 begleitete Dr. Abdirahman die Equipe erstmals für eine Art Begutachtung vor Ort. Einfache Erkrankungen werden direkt im health Post behandelt- einfache Laborteste ebenfalls vor Ort durchgeführt. Bei aufwändigeren Labor -Untersuchungen wird das entsprechende Material ins Labor des Ambulatoriums mitgenommen und dann ausgewertet. Selten fand auch ein Krankentransport nach Merka statt .Nach wie vor kommen jedoch die meisten der Erkrankten - die im health post aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht behandelt werden können - zu Fuss nach Merka. Salim hat mir gewissenhaft eine recht ausführliche Statistik über ihre Tätigkeit geschickt: von Juni bis November 09 wurden 535 Patientinnen im health Post behandelt, 28 wurden ans Ambulatorium in Merka überwiesen. Auffallend ist die Häufung von Malariafällen im Vergleich zur Stadt Merka.

Seit Januar 10 haben wir das Budget für die Aufwendungen für den health post Ambe Banaan fast verdoppelt. In der Zwischenzeit können wir Ihnen auch Fotos vom Health Post in Ambe Banaan zeigen, d.h. al-Shabaab wurde in diesem Punkt kooperativer. Seit Januar 10 haben wir das Budget für die Aufwendungen für den health post Ambe Banaan fast verdoppelt. In der Zwischenzeit können wir Ihnen auch Fotos vom Health Post in Ambe Banaan zeigen, d.h. al-Shabaab wurde in diesem Punkt kooperativer.

Médecins du Monde (MDM)
Wie Euch Jenny bereits erwähnte sind wir im Hinblick auf eine nachhaltigere Trägerschaft für unser Ambulatorium in Kontakt mit MDM. MDM ist eine Abspaltung von Médecins sans frontières (MSF). Beide, MSF und MDM, sind international tätige bekannte Hilfswerke im medizinischen Sektor. MSF operiert fast ausschliesslich in akuten Kriegs-und Krisenregionen - meist eher kurzfristig und hat auf Grund der Art seiner Einsätze sehr strenge Sicherheitsvorkehrungen. In Somalia ist MSF in verschiedenen Regionen tätig, führt auch Notspitäler und kümmert sich vor allem um die Somaliainternen Vertriebenen und die entsprechenden Flüchtlingslager. Aus Sicherheitsgründen meidet MSF jegliche Form von Geldzuwendungen und /oder Zusammenarbeit mit der UNO und vor allem auch mit Geldgebern aus der USA.

MDM - also die Organisation die mit uns Kontakt aufgenommen hat - macht ebenfalls kürzer Kriseneinsätze, zusätzlich jedoch hat sie auch langfristigere Projekte in verschiedenen Ländern (3- 15 Jahre)

Das Credo von MDM "soigner et témoigner" (heilen und Zeugnis ablegen, d.h. Öffentlichkeit herstellen) verweist auf ihren ideellen und politischen Hintergrund aus den 70 er Jahren. Entsprechend sind die Strukturen von MDM sehr basisorientiert mit einem komplexen Rotationssystem. MDM ist in Merka bereits in zwei gut eingerichteten Zentren tätig und möchte die Versorgung über weitere Quartiere von Merka mit zusätzlichen neuen Gesundheitszentrum abdecken, aber auch in der Region Lower Shabelle - im Südwesten von Merka - Fuss fassen. Mit einer Verteilung über die ganze Stadt Merka möchte MDM auch die verschiedenen grösseren Clanstrukturen über die medizinische Versorgung der Bevölkerung ansprechen. MDM arbeitet ebenfalls mit den MCH und OPD Programen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wie ja auch unsere MitarbeiterInnen im Ambulatorium. Ihr Jahresbudget für Somalia beträgt insgesamt 2 Mio. Euro, Ihr fachlicher Anspruch ist sehr hoch. Angeblich überprüfen sie alle medizinischen Interventionen (Diagnose, Fallbesprechung, Abgabe von Rezepten) via Mailkontakt von Nairobi aus. Zudem plant MDM regelmässig Ausbildungsseminare mit den Mitarbeitern in Puntland. Davon könnten ev. auch einige Mitarbeiterinnen von New Ways profitieren.

Die Lohnpolitik von MDM ist vor allem für die MitarbeiterInnen der Basis eines Ambulatoriums sehr attraktiv- die Lohnschere zwischen den Kader- und Basislöhnen kleiner als unsere.

Sicher hat vor allem auch diese Tatsache die MitarbeiterInnen des Ambulatoriums von New Ways für eine Zusammenarbeit mit MDM motiviert. Auf deren ersten konkreteren schriftlichen Vorschlag über das Vorgehen einer möglichen Kooperation reagierten sie positiv.

Operativ wird es wohl zu einigen grösseren Veränderungen - das heisst ja auch immer Schwierigkeiten - kommen. Mitarbeiterinnen von New Ways müssten wohl auch in anderen Zentren arbeiten. Die tägliche Alltagsarbeit mit den Patientinnen wird aber an allen Arbeitsplätzen die gleiche sein. MDM arbeitet mit den gleichen vertrauten Programen MCH und OPD. Wir hier in Zürich unterstützen grundsätzlich diese Zusammenarbeit. Angesichts der Überalterung unseres Vorstandes und unseres Gönnervereins müssen wir um die Zukunft von New Ways besorgt sein. Mit MDM bietet sich für die N.W. MitarbeiterInnen vom Ambulatorium eventuell eine längerfristigere Zukunft, Garantien aber gibt es keine. Wir sind uns aber bewusst, dass wir mit einem solchen Schritt bei Konflikten nur noch beratend zur Seite stehen könnten. Das Entstehen dieser Zusammenarbeit und die konkrete Ausführung muss von den MitarbeiterInnen des Ambulatoriums und MDM vor Ort gesucht werden.

Leider musste MDM aus Sicherheitsgründen Mitte April vorübergehend sein Tätigkeit einstellen- ein schwerer Dämpfer für MDM und seine Pläne -aber auch für uns.

Bigna Rambert Mai 2010

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