ARCHIV
 
Generalversammlung 2011, vom 7. Mai 2011

Politische Situation in Somalia, Frühling 2011
Bashir Gobdon und Heinrich Frei

 
In diesem Jahr waren etwa 1,4 Millionen Menschen in Somalia intern vertrieben, dies bei einer Bevölkerung von etwa 9,1 Millionen. - Übertragen auf die Schweiz würde dies bedeuten: Alle Bewohner von Genf und Waadt hätten ihren Kanton verlassen, also auch die Einwohner der Städte Genf und Lausanne.

Der Nordteil Somalias strebt seit 1991 als Somaliland nach Unabhängigkeit. Puntland und Galmudug beanspruchen Autonomie als Teilstaaten Somalias. In diesen nördlichen Gebieten Somalias bestehen relativ stabile Verhältnisse, ohne Krieg. Obwohl zu sagen ist, dass die Piraten hauptsächlich von dem stabilen Puntland aus operieren.

300'000 somalische Flüchtlinge sind in Camps in Kenia Seit anfangs dieses Jahres sind 50'000 Menschen aus Somalia von den Kämpfen ins Ausland geflüchtet. Die Flüchtlinge suchten Zuflucht in Kenia, Äthiopien und dem Jemen. In drei Flüchtlingscamps im Osten Kenias leben heute mehr als 300'000 somalische Flüchtlinge, zum Teil schon seit weit über zehn Jahren.

Al Shabaab kontrolliert Süd- und Zentralsomalia und ein Teil von Mogadischu Die islamistische Gruppierung Al Shabaab kontrolliert seit über zwei Jahren Süd- und Zentralsomalia und auch ein Teil der Hauptstadt Mogadischu. Auch Merka, wo New Ways tätig ist, wird von dieser Organisation kontrolliert. "Al Shabaab" ist arabisch und bedeutet "Die Jugend". Das Ziel von Al Shabaab ist die Errichtung eines islamischen Staates mit strikter Durchsetzung der Scharia. Die Scharia ist im Gegensatz zum westlichen Recht ein göttliches, unwandelbares Recht. Auch das Parlament der heutigen Übergangsregierung in Somalia unter Sheikh Sharif Sheikh Ahmad, die von Al Shabaab bekämpft wird, hat das islamische Recht der Scharia eingeführt.

Der Präsident Ahmad der Übergangsregierung wird durch die EU, die UNO und Soldaten der Afrikanischen Union an der Macht gehalten In den Bürgerkrieg in Somalia mischen sich ständig ausländische Mächte ein, wie die USA und die Europäische Union. Das Ausland wurde aber auch schon wiederholt durch somalische Machthaber um Hilfe gerufen, wenn ihre Herrschaft ins Wanken gekommen war. Im Mai 2009 rief Präsident Ahmad das Ausland um Hilfe gegen die Angriffe der Al Shabaab und der Hizbul Islam. Diese Islamisten die jetzt gegen ihn kämpfen waren frühere Verbündete, in der Zeit der Union der Islamischen Gerichte, eine kurze Periode in der die Lage in Somalia relativ stabil war. Truppen der Afrikanischen Union, der so genannten AMISOM, aus Uganda und Burundi, stützen seither die somalische Übergangsregierung. 8'000 Soldaten stehen heute der Regierung in Mogadiscio bei, kämpfen aber nicht aktiv gegen Al Shabaab. Ohne die Hilfe dieser AMISOM-Truppen hätte Ahmad in Mogadischu die Macht längst verloren. Seine Regierung ist international anerkannt und wird heute auch von der Europäischen Union, der UNO und den USA finanziell und mit Waffen unterstützt. Diese Übergangsregierung ist aber korrupt, sie bezahlt oft nicht einmal ihre eigenen Soldaten und Polizisten. Viele somalische Soldaten und Polizisten die von der Europäischen Union in Äthiopien und Uganda ausgebildet wurden haben den Dienst quittiert, da ihnen oft der Lohn nicht ausgezahlt wurde. Sie verkauften ihre Waffen und zogen sich ins Privatleben zurück oder schlossen sich sogar den Aufständischen an. Im Sommer 2010 setzten sich an die 1'000 mit deutschem Geld ausgebildete Polizisten, samt Waffen in den Untergrund ab, berichtete kürzlich die Journalistin Dorothea Runge in einer Sendung des Westdeutschen Rundfunkes.

Die USA und die EU beanspruchen ein Mitspracherecht, da sie die somalische Übergangsregierung unterstützen Im September 2010 wurde nach Zerwürfnissen innerhalb der Übergangsregierung neben dem Präsidenten Ahmad ein neuer Ministerpräsident eingesetzt, Mohamed Abdullahi Mohamed, ein Amerika-Somalier. In dieser Regierung sind jetzt viele somalische Intellektuelle vertreten die aus dem Ausland zurückkehrt sind. Sehr gute Leute, wie Bashir Gobdon hörte. Im Februar dieses Jahres beschlossen die Abgeordneten des somalischen Parlamentes fast einstimmig das Mandat für die Übergangsregierung noch einmal um drei Jahre zu verlängern. Am 20. August wäre nämlich das Mandat für diese provisorische Regierung abgelaufen gewesen, und im Juli hätte es Wahlen geben sollen. Das Parlament Somalias war aber der Meinung zuerst müsste Al Shabaab besiegt werden, bevor Wahlen durchgeführt werden könnten. Wahlen hatte es vorher nicht gegeben, die heutigen Abgeordneten wurden ernannt. Die UNO, die USA, die EU und mehrere europäische Staaten kritisierten die Entscheidung des somalischen Parlaments, seine Amtszeit um drei Jahre zu verlängern, ohne sie zu konsultieren. Die US-Botschaft in Nairobi liess sogar verlauten, diese "schlecht beratene Entscheidung" müsse "überprüft" werden, und die Regierung müsse "sofort zu ernsthaften Diskussionen" mit ihren ausländischen Unterstützern zurückkehren. Die ausländischen Unterstützer der somalischen Übergangregierung, die USA und die EU beanspruchen ein Mitspracherecht bei Entscheiden, obwohl ihnen auch klar ist, dass Wahlen wahrscheinlich mit einem Sieg der militanten Islamisten enden würden. Aber sie wollen, wie eh und je, sagen was zu tun und zu lassen ist in Somalia. Freie Entscheide kann die somalische Übergangregierung nicht treffen, da sie vollständig von der EU und den USA finanziell abhängig ist. Die Löhne der 250 Abgeordneten werden von der EU bezahlt. Ein Grossteil der Parlamentarier lebt meist im ruhigen Nairobi, nicht im Kampfgebiet Mogadischu.

UNO Organisationen und viele Nichtregierungsorganisationen haben sich aus Somalia zurückgezogen Die Menschen die unter dem Regime der Al Shabaab leben, mussten grosse Abstriche in ihrer Freiheit hinnehmen. Für humanitäre Organisationen wurden allzu strenge Regeln eingeführt, was dazu führte, dass die humanitären Aktivitäten stark eingeschränkt werden mussten und Hilfswerke Somalia verliessen. Einige Familien schickten ihre Kinder im Teenageralter nach Jemen, Kenia oder Südafrika, auch aus Merka, um zu vermeiden, dass sie der Al-Shabaab anheimfallen oder dass man ihnen Schaden zufügt. Wichtige UNO-Organisationen wie das Welternährungsprogramm beendeten die Verteilung von Nahrungsmitteln in Regionen, die von Al-Shabaab beherrscht werden. Dies sind Gebiete, in denen am meisten innerstaatliche Flüchtlinge Schutz gefunden haben, die vor den Kämpfen in Mogadischu geflohen sind. Das Verbot Nahrungsmittel zu verteilen führte dazu, dass Hundertausende grosse Not leiden. Al Shabaab begründete das Verbot Nahrungsmittel zu verteilen damit, es habe dazu geführt, dass die somalischen Bauern ihre eigenen Lebensmittel nicht mehr verkaufen konnten, da die Märkte von Lebensmitteln des Welternährungsprogrammes überschwemmt wurden. Bashir Gobdon sieht diese Entscheidung positiv. Er denkt, die Somalier würden jetzt die Lebensmittel der eigenen Bauern auf den Märkten kaufen und nicht wie vorher bei ausländischen Organisation um Hilfe betteln während die einheimischen Landwirte auf ihrer Ware sitzen blieben. Fakt ist natürlich auch: Al Shabaab will keine UNO Organisationen, wie das World Food Programm mehr in den von ihnen kontrollierten Gebieten, da die UNO die Übergangsregierung in Mogadischu stützt. Seltsam findet es Bashir auch, dass nach wie vor die Flugplätze in Kismaayo, bei Merka usw. offen gelassen werden. Der Handel mit der Droge Kat floriert. Täglich kommen Flugzeuge aus Kenia vollgepackt mit Kat-Drogen.

Im Moment sehen wir nicht, dass sich die somalischen Bürgerkriegsparteien zusammenraufen und sich einigen. Beide Bürgerkriegsparteien werden vom Ausland aus gestützt, was erst die Kriegführung erlaubt. Ob es sinnvoll ist die heutige Übergangsregierung in Mogadischu mit Soldaten aus Uganda und Burundi, durch finanzielle Hilfe, Waffenlieferungen und durch die Ausbildung von Soldaten und Polizisten aus Europa und Amerika weiter zu stützen ist fraglich. Bashir meinte: Ja und Nein.

<< zurück zu Aktuell